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Agile Personalführung: Fünf Perlen und ein faules Ei

Selbstführung und Selbstkontrolle in agilen Teams; von Andreas Karutz

Keine Führungskraft ist härter als das Team selbst.

 von Andreas Karutz


Selbstführung und Selbstkontrolle in agilen Teams

Durch Leistung zum Stammplatz

Wenn sich junge Leute zum Straßenfußball treffen werden Mannschaften oft so gebildet, dass zwei Spieler aus der Gruppe (oft die stärksten Spieler oder die Torwarte) abwechselnd einen Mitspieler aus der Gruppe auswählen, bis alle Leute verteilt sind. Natürlich werden immer die jeweils stärksten Spieler aus dem schrumpfenden Rest erwählt, bis zum Schluss die schwächsten Spieler übrig bleiben.

 

Das ist eine reine Leistungsauswahl, die sich nicht nach irgendeinem Proporz oder Prinzipien richtet, sondern ausschließlich dem Zweck dient „wir wollen die anderen schlagen.“ Da muss man durch.

 

Im organisierten Mannschaftssport ist es ähnlich. Der Trainer wählt für jedes Spiel aus seinem Kader die mutmaßlich Besten aus, um den Gegner zu schlagen. Verschlechtert sich die Performance eines Spielers über die Saison – und zwar egal aus welchem Grund: Verletzung, Faulheit oder Überschreitung des Zenits –,  so verliert der Spieler erst seinen Stammplatz und landet auf der Reservebank und wenn es im Training nicht besser wird, fliegt er irgendwann ganz raus.

 

Im Geschäftsalltag ist es nicht ganz so. Zwar dienen Beurteilungen auch der Leistungsmessung, aber Zeugnisse und Beurteilungen müssen wohlwollend positiv sein. Niemand will schwache Mitarbeiter haben, aber weiche Größen wie Fairness, Betriebszugehörigkeit und persönliche Umstände spielen auch eine Rolle.

 

Das ist grundsätzlich gut, solange nicht alle anderen Mitarbeiter ständig die liegengebliebenen Arbeiten mit erledigen müssen. Das ist nur eine Zeit lang okay. Mitarbeiter, die soziale Faulheit zeigen oder sich immer um bestimmte Aufgaben drücken, absorbieren enorme unproduktive Führungsleistungen, um sie wieder einzufangen.

Performance entsteht im Team und durch das Team

Agile Teams können in dynamischen Märkten auf viele Einflüsse ausreichend schnell reagieren und Entscheidungen treffen. Die kritischen Faktoren darin sind die Teambildung (s.o.) und die Entscheidungsfindung innerhalb des Teams. Hier geht es jetzt um die Entscheidungsfindung, also die Art und Weise, wie innerhalb eines Teams Entscheidungen getroffen und verantwortet werden.  

 

Üblicherweise sollen Entscheidungen von guter Qualität sein und von allen Teammitgliedern mitgetragen werden. Qualität wird erzielt durch die Einbeziehung relevanter Informationen, Sichtweisen und Erfahrungen. Für ein gemeinsames Verständnis müssen alle von der Entscheidung Betroffenen gehört werden und deren Perspektiven integriert werden. Das kostet Zeit und oft benötigt man Verfahren, um den Entscheidungsprozess abzukürzen.

Mehrheitsentscheid

Einen Mehrheitsentscheid herbeizuführen geht sehr schnell. Das ist in diesem Zusammenhang schon fast der einzige Vorteil. Bei sehr starken Minderheiten oder sehr weit auseinander liegenden Abstimmungsoptionen ist das erzielbare Commitment sehr gering, bzw. wird die Entscheidung latent unterlaufen.

Konsens

Bei einem Konsens stimmen alle Teammitglieder zu und es gibt kein Veto. Dieser formal starke Ansatz dauert unter Umständen sehr lange und kann zu stark verwässerten Entscheidungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner führen.

Konsent-Verfahren

Das Konsent-Verfahren will eine Entscheidung herbeiführen, die alle Beteiligten mittragen können. Es geht nicht um die Lieblingslösung für jeden, sondern um Entscheidungen, die jeder Betroffene in seiner Arbeit unterstützt. Der Kern liegt in der Verbesserung von Vorschlägen, bis es keine berechtigten Einwände mehr gibt. Berechtigte Einwände sind nicht pauschale Ablehnungen oder Spekulationen (Befürchtungen, unbestimmte Annahmen), sondern ergeben sich aus einem Dialog. Ein Konsent sorgt für Qualität und Commitment, erfordert aber Übung in der Anwendung.

Konsultativer Einzelentscheid

Bei komplexen Problemen macht es oft keinen Sinn - und fehlt auch schlicht die Zeit -, dass sich alle Beteiligten so intensiv in eine Thematik einarbeiten, um im Konsent entscheiden zu können. Deswegen delegiert das Team die Entscheidung an eine einzelne Person (Wahl im Konsent) und verständigt sich darauf, die Entscheidung dieser Person zu akzeptieren und mitzutragen, egal wie sie ausfällt. Von dem gewählten Entscheider wird erwartet, dass er sich ausreichend konsultiert (bei den Teammitgliedern, externen Experten, Kunden etc.) und auch fragt, wer noch konsultiert werden möchte. Dann wird die Entscheidung mitgeteilt und der Entscheidungsprozess transparent gemacht. Das führt zu Qualität und Akzeptanz und verhindert auch verkappte Mehrheitsentscheidungen. 

Systemisches Konsensieren

Es werden alle Optionen gesammelt und deren Widerstand von allen Teammitgliedern in Punkten bewertet (0 = kein Problem bis 10 = unmöglich für mich). Die Entscheidung mit dem geringsten Gesamtwiderstand wird getroffen, wobei einzelne Extreme (10er) nochmals diskutiert werden, um ggf. in die Entscheidung noch integriert zu werden. Dieses Verfahren erzeugt eine hohe Akzeptanz und ein gemeinsames Verständnis. Die Qualität der zur Auswahl stehenden Optionen sollte aber gleichermaßen gut sein.

Kontrolle erfolgt im Team und durch das Team

Selbst in agilen Umfeldern mit ihrem hohen Grad an Selbstverantwortung und Autonomie sind nicht alle Mitspieler immer im Dienst der gemeinsamen Sache. Trittbrettfahrer gibt es überall. Statt hierarchischer Kontrolle korrigiert im Team der horizontale Gruppendruck und sorgt für Rechenschaft. Aus der Mannschaft selbst ist der Druck immer höher und das Feedback ehrlicher, ganz wie in der Straßenmannschaft.

 

In agilen Teams geben sich die Mitglieder Feedback: über die Leistungen jedes Einzelnen und wie dies monetär zu vergüten ist. Das inkludiert die Möglichkeit der Gruppe, die Mannschaftsaufstellung zu prüfen und wenn nötig zu korrigieren. Agile Führungskräfte müssen das ermöglichen. 

 

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