Angst taugt nicht als Antrieb, auch nicht für Führungskräfte.
von Andreas Karutz
Manager und Agile Manager
Widerstand und Abwehr
„Und dann werden wir schneller und besser, ja!“, sagte der Chef-Controller, ein altgedienter Abteilungsleiter in dessen Gesicht sich der Zweifel eingegraben hatte. Er hatte das scharf betont, meinte damit aber was anderes, nämlich: „Dann werden wir sehen, dass bei dem Schwachsinn nichts rauskommt.“
Der Mann war Widerständler. Er leistete anhaltenden Widerstand gegen eine heraufziehende agile Struktur, weil diese seine Existenz bedrohte. Glaubte er. Der Widerstand war nicht ein plumpes dagegen sein, kein Poltern oder polemisches Gejammer. Nein, der Widerstand war fachlich fundiert. Aus der Deckung der fachlichen Expertise feuerte der Mann Salve um Salve an KPI-Schrapnellen ab. So schnell, dass einem schwindelig werden konnte.
Neue Lage, neue Maßnahmen
Das vom Inhaber angeführte Management hatte klug antizipiert, dass die Firma auf dem Weg in eine abschüssige Bahn war. Umsatz und Ertrag stagnierten, alle klassischen Kostensenkungspotenziale waren in den vergangenen zwei Jahren ausgeschöpft worden, personelle Talente im Unternehmen waren nicht bekannt und Ideen für echte innovative Leistungen für die Kunden von morgen gab es nicht. Dafür gab es eine bislang unbekannte digitale Konkurrenz in neuen Vertriebskanälen.
In der S-Kurven Logik befand man sich im Zustand der Reife. Gefühlt war die Firma ein Getriebener.
Aus diesem Zustand entsprang der verständliche Wunsch nach Verbesserung, der sich artikulierte in "Wir müssen irgendwie agiler werden!" - das hatte der Inhaber mal gelesen.
Ein erster guter Gedanke, aber auch ein gefährlicher, denn ein Wunsch nach unspezifischer Agilität kann sich nicht materialisieren. So mussten zunächst die Grundlagen geschaffen werden.
Neben dem Verstehen von Agilität an sich (Selbstführung, Kultur des Empowerment, Führungskräfte als Berater und Mentoren, organisatorische Implikationen etc.) gehörte dazu die Ängste des Egos in den Griff zu bekommen, also die der vorhandenen Führungskräfte. Diese sahen die Welt aus der traditionellen konformistischen Perspektive und hielten an Strukturen und Praktiken fest ("Best Practice"), mit denen sie bisher in ihrer Welt gut zurecht gekommen sind.
Sie besetzen Kästchen in Organigrammen und verkehren mit Mitarbeitern und anderen Bereichen hierarchisch und formell. Es ist klar, dass der Wegfall von Führungsebenen Ängste auslöst. Nun ist Angst eine schäbige Umgebung. Die Führungskräfte sind überfordert.
Neues Mindset
In vielen Unternehmen ist dies eine der Begleiterscheinungen in Veränderungsprozessen, egal welcher Art. Diese und weitere Begleiterscheinungen treten gleich am Anfang auf. Das beschreibt hinlänglich die Tatsache, dass sich eine Organisation nicht über die Ebene hinaus entwickeln kann, auf der sich die Führung des Unternehmens befindet. Und so muss der erste Schritt immer der sein, die wichtigsten Führungskräfte und die angesehensten Mitarbeiter einzufangen und nicht irgendwelche selektiven KPIs aus einer alten Welt zu verbessern. Und dann wird nach einem anstrengenden Weg eine Firma in der Tat schneller und besser.