Scrum lässt sich in vielen Bereichen eines Unternehmens anwenden. Im Marketing verbessert es die Zusammenarbeit deutlich.
von Andreas Karutz
Scrum: Medizin fürs Marketing
Charts und nochmal Charts
Im Marketing werden viele Charts produziert, die sich in erster Linie an Empfänger innerhalb des Unternehmens richten. Der Inhalt dieser Charts soll sich irgendwann in Produkten, Sortimenten, Informationen und Dienstleistungen für den Kunden materialisieren, also Wert schaffen. Daran ist nichts schlecht.
Auch im Marketing müssen viele Standardaufgaben erledigt werden, für die Prozesse und Dokumentationen existieren, also die Festlegung von was wird wann von wem in welcher Form zu welchem Termin wie gemacht (z.B. Marktforschung, Konkurrenzbeobachtung, Mediaplanung, Content Marketing, Marketing Controlling u.v.m.). Das ist das Pflichtprogramm.
Die Kür
Die Kür liegt in der Entwicklung des Neuen, in der Entwicklung innovativer Ideen für die Markt- und Kundenbearbeitung. Dazu zählen auch Kampagnen, die zwar als geplante, wiederkehrende Projekte definiert werden können, aber unter vielfältigen und manchmal kurzfristigen Einflüssen stehen und daher weder konkret vorgegeben sein können noch einen festen Inhalt haben. Das ist reine Wissensarbeit mit einem kreativen Touch an F&E.
Wer was macht
Marketingbereiche bestehen aus unterschiedlichen Abteilungen, die inhaltlich oft ebenso Silos sind wie Unternehmensbereiche zueinander. Zur Abhilfe gibt es Bereichsmeetings (z.B. Monatsgespräche), in denen sich die Marketer wechselseitig über wichtige Themen und das Tagesgeschäft informieren und voneinander lernen (Charts zeigen).
Üblicherweise stehen Verantwortliche aller Ebenen im Marketing in der Pflicht, dem Unternehmen regelmäßig Beiträge für mehr Markterfolg zu liefern (in der Regel in Aufgabenplanungen, Strategiesitzungen u. ä.). Dazu bedienen sich die Führungskräfte ihrer Marketer in allen Abteilungen und Aufgabengebieten, denn dafür sind sie –meine Mitarbeiter! – schließlich da. Den Satz „Ich brauche mal schnell eine Unterlage über… / eine Aussage zu… / eine Prüfung von…“ hat jeder Marketer schon oft gehört.
Und da fängt das Problem an
In der Regel beruht der Auftrag auf einer Idee der Führungskraft, die ihrem Job nachkommen will und sich damit zu präsentieren hat. Natürlich müssen die Unterlagen (Charts) hochwertig sein – vor allem wenn die Unternehmensführung teilnimmt –, und schließlich will man nicht ins Blaue hinein diskutieren.
Haben Führungskräfte keine Ideen, werden gerne Brainstormings, Kreativworkshops o.ä. abgehalten, in denen Ideen entwickelt werden sollen. Oder man macht daraus ein „Projekt“, dann wird die Verantwortung erstmal an Mitarbeiter delegiert, die darin neben ihren anderen Aufgaben arbeiten dürfen. Ein Verantwortlicher hält regelmäßig Vortrag vor den Führungskräften und empfängt deren Feedback. Das Ganze endet natürlich in einem Chartbook.
Vielleicht sind diese Ideen brillant, vielleicht banal und vielleicht sind sie sogar in guten Diskussionen generiert worden. Egal. Es handelt sich um einen Nachschub an Arbeit, die durch die Stellung der Führungskraft priorisiert und in Reporting-Schleifen gefiltert und abgenommen wird. Dieses Vorgehen ist behäbig und mobilisiert nicht das Kreativpotenzial der Mitarbeiter. Es enthält die Sicht von wenigen Chefs und nur die beauftragte Zuarbeit von vielen Mitarbeitern, nicht deren Ideen.
So entstehen aber keine Innovationen, vielmehr lassen sich allenfalls fertige Ideen in solchen Zusammenkünften diskutieren, verfeinern und grob aufgabenmäßig organisieren. Es sollte aber das Werk von allen Marketern sein!
Es stellen sich zwei Fragen
1. Bringen sich Führungskräfte in dieser Form inhaltlich richtig ein?
2. Gibt es die große, neue Big Bang Idee überhaupt?
Die Antwort liefert Scrum
Führungskräfte sollen sich einbringen und ihre Ideen sind wertvoll. Dafür sind geeignete Umfelder zu schaffen, für die es viele Möglichkeiten, aber kein Patentrezept gibt.
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Sind Ideen geboren worden, sollen sie in Sprint Plannings und Sprint Reviews abgearbeitet werden. Klassische Genehmigungsschleifen fressen Zeit und bergen die Gefahr der Kompetenzillusion.
Vielleicht gibt es eine großartige Idee – dann wird sie auch gefunden werden! – oder eben nicht. Dann tastet man sich in kurzen Schritten voran und probiert dies und das einfach aus und lernt. Daran ist nichts verwerflich. Gerade im Marketing ist Testen das Mittel der Wahl, um valide Erkenntnisse zu gewinnen.