Wie man über das ganze Unternehmen ein gemeinsames Verständnis der Dinge erreicht.
von Andreas Karutz
Eine agile Strategie ist anpassungsfähig und lässt das Unternehmen atmen
Der Horizont zählt
Als sehr junger Mitarbeiter wurde ich einmal von einem höheren Chef abgekanzelt, weil ich es versäumt hatte, ihm eine Unterlage in ein Tagungshotel zu schicken. Einen täglichen Standardreport zu Umsätzen und Absätzen nach Kundengruppen.
Ich war natürlich konsterniert, was man als junger Mitarbeiter immer ist, wenn man Fehler gemacht hat. Ich war aber noch aus einem anderen Grund konsterniert. Mein Ober-Chef war nicht nur auswärtig unterwegs, sondern auf einer mehrtägigen Strategietagung. Und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was ein Ober-Chef, der sich auf einer Strategietagung befand, mit Tageszahlen anfangen wollte. Musste der nicht den Kopf für wichtigere Gedanken frei haben? Was sollte denn in zwei Tagen Gravierendes passieren?
Mein Abteilungsleiter klärte mich auf. Alle Führungskräfte ließen sich permanent Unterlagen schicken, wo auch immer sie waren. Weil sie wichtig waren und weil es auch wichtig war, dass das Hotelpersonal beständig Papiere verteilte (damals gab es noch gut beschäftigte Faxgeräte) und alle anderen Kollegen das sehen konnten.
Die Informationen aus der „Strategietagung“ waren dann auch nicht sonderlich reichhaltig. Die Vertriebsführungskräfte hatten vor allem operative, tagesgeschäftliche Themen mit zeitlich etwas erhöhter Reichweite behandelt. Ein Etikettenschwindel, wie ich damals fand.
Nein, das war ganz sicher keine Strategie und aus solchen Zusammenkünften entsteht auch keine agile Strategie.
Plan und Peitsche
Ein anderes Unternehmen. Anlässlich einer Veranstaltung der oberen Führungskreise von Gruppenfirmen eines Konzerns, an der ich einst teilgenommen habe, gab es eine martialische Aussage: „Pläne sind einzuhalten!“, so dröhnte es durch die Lautsprecher. Im Timbre der Stimme des designierten Konzernlenkers lag eine Mischung aus Ansporn und Drohung.
Damals hatte ich mich allenfalls randständig mit Agilität und Methoden wie Srum und Kanban beschäftigt, aber als langjährige Führungskraft wusste ich sehr genau, dass Pläne praktisch nie eingehalten werden (außer in statischen Umgebungen). Das ist ein ehernes Grundgesetz. Da muss man nicht den oft zitierten Clausewitz bemühen.
Jeder Executive weiß, dass auch der schönste Plan mit dem ersten Konkurrenz- und Kundenkontakt zu Ende ist. Was sollte also dieser absolutistische Blödsinn von Pläne sind einzuhalten bedeuten?
Zum einen ging es natürlich um die disziplinierende Kraft dieser Aussage. Denn wer die Pläne nicht einhielte, würde gehen müssen. Unternehmen geben Geld aus für Gehälter, für die Leistungserstellung, für Betriebskosten, für Werbung und noch viel mehr und fixe Kosten fallen auch ohne Umsatz an. Das Working Capital muss finanziert werden, am besten aus dem Cash Flow. Natürlich möchte eine Unternehmensführung die dazu passenden Umsatzpläne realisiert sehen. Völlig klar. Nur geht das nicht per Ansage, sondern nur durch entwickelte Fähigkeiten der Organisation und der Mitarbeiter in einem hinreichend realistisch eingeschätzten Markt- und Konkurrenzumfeld.
Nur wenn diese Bedingungen erfüllt sind, bietet ein Plan eine brauchbare Orientierung. Im obigen Fall stand in den Plänen nur drin, was unbedingt erreicht werden musste, sollte nicht Schlimmes geschehen. Das machte den Plan weder gut noch realistisch.
Die fatalen Folgen falscher Pläne
Der lange Zeithorizont und die Verbindlichkeit einer Strategie bei gleichzeitig dynamischer Veränderung des Unternehmensumfelds haben fatale Folgen. Schließlich lässt sich das Auseinanderfallen von Plan und Wirklichkeit nicht unbegrenzt ignorieren. Es kommt zu operativen Eingriffen der höheren Führung, was sich zunächst in vielen Themen ohne Fokus und Richtungswechseln mit häufigen ad hoc Entscheidungen zeigt (Mikromanagement).
Damit werden die Prioritäten unklar und es folgt eine Phase von hoher Komplexität mit enormem Zeitverbrauch, um wieder auf die Spur zu kommen. Im mittleren Management wächst der Frust und die Organisation verliert das Vertrauen in die Unternehmensspitze. Es erübrigt sich fast zu sagen, dass die Kunden längst nicht mehr im Mittelpunkt stehen.
Die bessere Form mit mehr Substanz
Eine agile Strategie ist das Bindeglied zwischen der Vision des Unternehmens und der die Umsetzung beschreibenden Roadmap. Das ist zunächst kein formaler Unterschied zur klassischen Einordnung. Der Unterschied liegt im Inhalt.
Eine agile Strategie passt auf drei Seiten Papier und beschreibt (nur), wie ich meiner Vision ein Stück näher komme, und zwar heute und in der nächsten Zeit und nicht wie es in drei oder in fünf Jahren aussehen wird. Solche langfristigen „Pläne“ sind Zwangslügen und Mehrjahresmärchen. Eine agile Strategie gibt den zum Zeitpunkt der Erstellung gültigen Glauben wieder, und der kann eine Woche später schon durch irgendwas erschüttert werden. Das kann passieren, das macht aber nichts.
Die Strategie kann korrigiert werden wie ein lernendes, interaktives Tool. Das heißt, trotz einer (beabsichtigten) längerfristigen Orientierung ist die Strategie nicht in Stein gemeißelt. Erweist sich ein Weg als nicht gangbar, wird er kurzfristig verlassen und ein anderer wird beschritten, und das mit allen Konsequenzen. Eine agile Organisation kann das.
Oder kann man sich ernsthaft vorstellen, das Richtige zu unterlassen, nur weil beispielsweise gerade die Budgets und Kostenstellenpläne gefixt sind und nicht mehr geändert werden können?
Klassische Welt versus Agile Welt
Eine Planung hat sich der Realität anzupassen und nicht umgekehrt. Jede Planungstechnik, die langsam, kompliziert und allumfassend ist, ist abzulehnen.
Stattdessen entwickelt die Unternehmensleitung Vorgaben mit Leitsterncharakter (z.B. für das Geschäftsjahr), die aber nicht unumstößlich sind. Bereiche und Abteilungen leiten daraus ihre Ziele für z.B. drei Monate ab, die in Form von Key Results messbar gemacht werden. Die Ziele sollen selbstadjustierend sein, die Leistung fördern und den Bereichen (dezentrale Einheiten) in meist wöchentlichen Meetings die Selbstkontrolle und ein Team-Feedback für jeden Mitarbeiter ermöglichen.
Die Mitarbeiter bekommen so Einsicht in die Ziele und den Stand des Teams und aller Teammitglieder. Führungskräfte machen ihre Mitarbeiter zu (partiellen) Insidern. Dadurch können Teams sehr schnell auf veränderte Lagen reagieren und ihre Ziele iterativ an die Realität anpassen. So funktioniert die Roadmap.
Das führt zu einer Früherkennung von Problemen und einer rollierenden Vorausschau aller relevanten KPIs. Die Unternehmensführung nutzt ein zu Strategie und Roadmap passendes interaktives Planungstool, das einen Überblick zu Ressourcenverbrauch, Ausgaben und geschätzten Umsätzen bietet. Strategieentwicklung und Strategieumsetzung werden so selber zu einem rollierenden Prozess. Das sind wesentliche Unterschiede zu MbO-Techniken.
So erzielt die Führung ein „Alignment“, also die Ausrichtung des Schwarms an ein gemeinsames Grundverständnis und die Übersetzung in das richtige Handeln eines jeden Einzelnen.
Wie das in der Praxis Ihres Unternehmens ganz konkret aussehen kann erfahren Sie bei uns.