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Digitale Transformation: Die Digitale Transformation beginnt an der Unternehmensspitze

Digitale Transformation im Mittelstand beginnt im Management; von Andreas Karutz
Digitale Transformation

Digitalisierung ist mehr als die Anzahl digitaler Systeme zu erhöhen. Das Management muss den wirtschaftlich erforderlichen Umfang der Digitalisierung ableiten und begründen. Auf dieser Basis kann die digitale Reife des eigenen Unternehmens beurteilt werden. Damit beginnt die Digitale Transformation. (Update vom 19.03.2019)

von Andreas Karutz


Die Digitale Transformation wird von der Unternehmensspitze angeführt und sie beginnt nicht in der IT

Digitalisierung: Für jeden was dabei

Digitalisierung ist kontextabhängig. Für IT-Manager ist Digitalisierung etwas anderes als für Geschäftsführer oder Betriebsleiter und Branchen haben ebenso einen Einfluss auf die Definition wie die konkrete Situation des eigenen Unternehmens. Deswegen sind auch die Motive für die Digitalisierung und die daraus resultierenden Erwartungen ganz unterschiedlich

 

Zum einen gibt es die betriebswirtschaftlich dominierten Motive wie mehr Effizienz und eine Steigerung der Produktivität. Das sind in produzierenden Unternehmen oft die originären Treiber der Digitalisierung. Eine Stufe weiter reichen die Motive für nachhaltige Veränderungen in Struktur und Abläufen oder gar eine Evolution des ganzen Unternehmens.   

 

Allgemein ist Digitalisierung jede aus Technologie und Vernetzung resultierende Veränderung von Produktions-, Arbeits- und Verwaltungsprozessen, von Kundenbeziehungen, der Wettbewerbsarena, von Arbeitsplätzen und Berufsbildern und den Umfeldbedingungen für die Existenz des eigenen Geschäfts.

Motive der Digitalisierung im Mittelstand

Die Digitalisierung generiert neue Produkte und Services, neue Prozesse und digitale Geschäftsmodelle. Das schafft neue Herausforderungen für die Organisation, die Kultur und Zusammenarbeit, die Führung des Unternehmens und die betriebswirtschaftliche Steuerung. Die dafür benötigten Fähigkeiten kommen nicht aus der IT, sondern werden in einem Change Prozess erarbeitet.  Das beinhaltet ebenso die Suche nach Optionen wie die Erkenntnis über zukünftig verbaute Wege. Der konkrete Umgang eines Unternehmens damit ist "die Digitalisierung" für das Unternehmen.

 

Gewachsene Unternehmen haben eine Erfolgsgeschichte und vor allem Erfolgsfaktoren, wie Technologien, gute Mitarbeiter, Managementfähigkeiten und eine geeignete Organisation. Diese sind der Kern einer sich ständig entwickelnden Blaupause zur Anpassung der Firma an ein sich veränderndes Umfeld.

 

Erst wenn der Anpassungsdruck so stark und schnell wird (disruptiv), dass er nicht mehr innovativ im bestehenden Organisationsrahmen und Geschäftsmodell bewältigt werden kann, braucht ein Unternehmen agile Veränderungen und Unterstützung von außen. Bevor der angestammte Markt zusammenbricht muss sich ein Unternehmen ganz oder in Teilen neu erfinden. 

 

Die Digitalisierung hat sicher disruptive Auswirkungen für viele Unternehmen, aber es gibt auch einen gesellschaftlichen Wertewandel und veränderte Präferenzen bei (zukünftigen) Mitarbeitern, die einen Einfluss auf die zukünftige Aufstellung der Firma haben. 

Digitalisierung und Change Management im Mittelstand, von Andreas Karutz

Digitale Reife messen

Digitale Reife: Das Management ist gefordert

Für den Weg der Digitalisierung benötigt jedes Unternehmen kontextabhängige Fähigkeiten (digitale Reife). Zur Messung der digitalen Reife gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Modellen (Test, Check, Index) mit unterschiedlichen Schwerpunkten (z. B. Technik, Produktion, Wertschöpfungsketten, Vernetzung etc.).

 

Ein solches Modell muss zur konkreten Situation des Unternehmens und zum zuvor vom Management festgelegten Weg passen, sonst sind die Ergebnisse wertlos. Auf keinen Fall ersetzt ein Modell die Fähigkeit des Managements abzuleiten und zu begründen, welchen wirtschaftlich erforderlichen Umfang die Digitalisierung des eigenen Unternehmens hat.

 

Digitale Reife: Das richtige Modell auswählen

Modelle zur Messung der digitalen Reife sind gute Hilfsmittel für den Einstieg. Wenn das Modell zur spezifischen Situation der eigenen Firma passt, erhellen die Ergebnisse die aktuelle Lage und bieten einen Ordnungsrahmen für die anstehende Arbeit. Ein explizit für KMU entwickeltes Modell hat die Universität Potsdam entwickelt und per Juli 2019 öffentlich zur Verfügung gestellt ("Reifegradmodell zur Digitalen Transformation für KMU").

 

In den Dimensionen

  • Unternehmensführung
  • Produkt und Markt
  • Organisation
  • Ressourcen

werden weitere Kategorien gebildet und dafür spezifische Fragen formuliert. Pro Kategorie wird ein Reifegrad ermittelt und anschließend ein Durchschnittswert für jede Dimension. Der Durchschnitt der Werte der Dimensionen ergibt den Gesamtreifegrad des Unternehmens. 

 

Die Aufbereitung erfolgt grafisch (Spinnennetz) und wird durch textliche Kommentare und Einschätzungen ergänzt. Über die individuelle Einschätzung hinaus werden Vergleiche zu Unternehmen derselben Größe und Branche als Benchmark geliefert. Mit den Ergebnissen können Sie sich dann den Handlungsfeldern und dem Management der Digitalen Transformation zuwenden. 

Die Handlungsfelder der Digitalen Transformation

Die Digitale Transformation beginnt mit einem reflektierten und sachverständigen Blick des Managements auf die Ausgangslage des eigenen Unternehmens und verläuft über verschiedene Handlungsfelder. Über diese Handlungsfelder muss mehr oder weniger zusammenhängend nachgedacht werden, aber sie werden nicht parallel angetrieben.   

Digitalisierungsstrategie

1. Kultur und Vision

Die Kultur in einer Firma ist die kollektiv gelebte Art zu denken, zu handeln und zu arbeiten. Dafür setzt die Unternehmensführung den Rahmen und lebt die Werte und Regeln vor. Gibt es Gründe für Veränderungen des kollektiven Miteinanders, benötigt ein Unternehmen einen Kulturwandel. Dieser wird von der Unternehmensführung angestoßen und in Gang gehalten.

 

Gründe für einen Kulturwandel sind vor allem erwartete Disruptionen im bestehenden Geschäftsmodell in Verbindung mit der Annahme, das die daraus folgenden vitalen Herausforderungen nicht allein mit betriebswirtschaftlichen Instrumenten, sondern durch begeisterte und befähigte Mitarbeiter in einem kollaborativen Miteinander bewältigt werden können. 

 

Damit ist die Richtung des Kulturwandels klar und die Unternehmensführung formuliert eine Vision dafür und sucht nach Unterstützern, um das konkret zu detaillieren und im Unternehmen zu diskutieren und umzusetzen. Es geht z. B. um Personalführung, Incentivierungen, Kommunikation über Hierarchieebenen hinweg, Entscheidungsprozesse und Partizipation und vieles mehr.  

 

Die Bereitschaft zu einem Wandel ist nicht bei allen Mitarbeitern gleichermaßen vorhanden. Es ist von einer Normalverteilung auszugehen, die in etwa der Verbreitung von Neuerungen in sozialen Systemen entspricht.  

  • 5% gehen begeistert voran
  • 10% folgen schnell nach
  • 30% schließen sich bei sichtbaren Erfolgen an
  • 30% warten ab und kommen dann schrittweise nach
  • 15% zögern und bewegen sich mit Abstand hinterher 
  • 10% gehen nicht mit (keine Korrelation mit Geschlecht, Alter, Betriebszugehörigkeit, Funktion oder hierarchischer Einordnung) 

Aus den ersten 15% der Mitarbeiter werden die Multiplikatoren (interne Change Agents) gewonnen. Die letzten 10% werden das Unternehmen mittelfristig verlassen.

 

Lesen Sie auch den Artikel: Unternehmenskultur - Ist das Esoterik? Warum Kulturwandel, digitale Transformation und Betriebswirtschaft Geschwister sind

2. Strategie und Führung

Durch technologische Schübe entstehen neue Produkte und Leistungen und mit ihnen neue Ansprüche der Kunden. Gewachsene Geschäftsmodelle können durch andersartige Konkurrenten bedroht oder gar zerstört werden. Die Existenzfrage des Unternehmens muss neu beantwortet werden. 

 

Aufgabe der Geschäftsführung ist die Erarbeitung einer (Digitalisierungs-)Strategie. Diese beschreibt den Aufbau digitaler Geschäftsmodelle (Fokus nach außen: Markt, Kunde, Konkurrenz) und digitaler Prozesse (Fokus nach innen: Produktion, Verwaltung, Leistungserstellung). Die benötigten digitalen Kompetenzen und Technologien sind zu definieren, mit denen das Unternehmen besser gemacht werden soll.

 

Die Strategie ist für alle Bereiche des Unternehmens verbindlich und priorisiert die Aktivitäten. Die (Digitalisierungs-)Strategie wird von der Geschäftsführung ins Unternehmen vermittelt und deren Umsetzung mit Hilfe der Multiplikatoren (Change Agents) voran getrieben.

3. Organisation, Technologie und Prozesse

Die geeignete Aufstellung der Firma ist zu erarbeiten. Die Digitalisierung aller Unternehmensbereiche erfordert eine Zusammenarbeit in Netzwerken und eine spürbare Anzahl von sich selbst führenden agilen Teams in allen Unternehmensbereichen.

 

Digitale Transformation (s.o.) ist nicht gleich agile Transformation (= Veränderung eines Unternehmens zu einer agilen Aufbau-, Führungs- und Ablauforganisation). Die aus Vernetzung und zunehmender Komplexität resultierenden Anforderungen der Digitalisierung werden aber zu einer Etablierung agiler Arbeitsweisen und Methoden in zentralen Bereichen führen.     

 

Damit ändern sich die Ansprüche der Mitarbeiter und es sind die organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen und die personellen Anforderungen (agile Führungskräfte) zu erfüllen. Das beantwortet die Frage, was erreicht werden soll und wie die Organisation (oder von Teilen) aussieht, die sich auf den Kunden ausrichtet.

 

Die Identifizierung der benötigten Technologien (IT-Infrastruktur, Software, Frontend/ Backend Systeme etc.) ist abhängig von der Branche und der spezifischen Lage des Unternehmens und individuell durchzuführen. Dieser Part ist Teil der Strategie, weil das in der Regel mit Investitionen verbunden ist.  

 

Für die Prozesslandschaft ist zu klären:  

  • welche Prozesse jedweder Art sind in welchem Umfang betroffen?
  • welchen Einfluss haben diese Prozesse auf die Wertschöpfung und wie werden sich diese Prozesse technologisch getrieben verändern? 
  • welche Prozesse werden ersetzt?

4. Kompetenzen, Methoden und Tools

Aus den vorangegangenen Handlungsfeldern lassen sich die benötigten digitalen Kompetenzen und die zu beherrschenden agilen Methoden und Tools ableiten. Diese können dann gezielt vermittelt werden (intern oder extern) und richten sich an Mitarbeiter und Führungskräfte aller Ebenen. 

Die Digitale Transformation managen

Die Digitale Transformation managen heißt den einzuleitenden Wandel beherrschen, der sich am digitalen Reifegrad und dem Potenzial der Firma orientiert. Das ist der Change Prozess. Angeführt wird dieser Prozess von der Unternehmensführung, die sich von einem Change Team unterstützen lässt.

Die Digitalisierung ist Teil des Transformationsprozesses, von Andreas Karutz

Um die Firma und die Mitarbeiter nicht zu überfordern, muss eine Reihenfolge eingehalten werden:

 

Am Anfang steht die Unternehmenskultur. Konkret wie sie sich anfühlt und wie die Mitarbeiter die Zusammenarbeit und die (neuen) Regeln des Miteinander erleben und sehen, also wie die vermittelte Vision Stück für Stück erreicht wird. Auf diesem Handlungsfeld muss stets mehr "Action" sein als auf den anderen. Man kann das mit der Strategie und Führung zusammen sehen, weil diese unmittelbar daraus folgt.

 

Auch die beiden anderen Handlungsfelder können als Block zusammen betrachtet werden der genau so wichtig ist, aber ein vorbereitetes Umfeld braucht, wenn nicht die Arbeit an Organisation, Prozessen und Tools ins Leere gehen soll.  

Merkmale der Digitalen Transformation für große und kleine Unternehmen, von Andreas Karutz

Unabhängig von der Größe des Unternehmens und der zur Verfügung stehenden Ressourcen gilt, dass die Digitale Transformation im Top-Management beginnt und von diesem permanent angetrieben wird. Ein unterstützendes Change Team oder einzelne Change Agents sorgen für die Umsetzung in einem beherrschten Prozess, der sich über alle Handlungsfelder der Transformation erstreckt.